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Knowledge Is Power ist unsere neue Bierserie zur Entwicklung und Optimierung der Geschmackskomplexität und ‑Intensität. Dabei werden spannende wissenschaftliche Erkenntnisse praktisch umgesetzt und in die Dose gebracht.
Knowledge Is Power #2 befasst sich dabei mit dem Einsatz einer Weinhefe in einem IPA. Diese Weinhefe besitzt einige metabolische Merkmale — Stichwort Thiole- , die konventionelle Bierhefen nich besitzen. Zur besseren Vergleichbarkeit stellen wir ein Referenzbier. In diesem Fall das gleiche IPA ohne Weinhefe.
Intensive Aromen nach Passionsfruit und Stachelbeere treffen auf einen West-Coast-ähnlichen, trockenen Körper mit einer mittelstarken Bittere.
Verwendete Malzsorten: Pilsner Malz, Hafermalz, Spitzmalz
Verwendete Hopfensorten: Strata, US Columbus, Nelson Sauvin, US Cascade
Besonderheit: Dual-Fermentation mit einer Weinhefe
Im Leben geht es nur um Genuss — oder so.
Wir sind immer auf der Suche nach neuen Erkenntnissen zur Optimierung unserer Biere und unseres Wissensstandes. Der Bierstil India Pale Ale ist nahezu Synonym für die Craftbeer-Bewegung geworden und erfuhr in dem letzten Jahrzehnt eine wahnsinnige Entwicklung, die für Biernerds aber aktuell scheinbar einen Grenzwert zu erreichen scheint. Der eigentlich nützliche, globale Austausch der kreativen Brauerein sorgt dafür, dass innerhalb kürzester Zeit das IPA zum Einheitsbrei verkommt und Geschmacksunterschiede zwischen den einzelnen Brauereien viel zu klein werden, als dass ein Signaturgeschmack einer Brauerei existieren kann. Das liegt natürlich nicht nur an der Unkreativität der Brauereien, sondern vor allem auch an der riesigen Nachfrage der Szene immer wieder das gleiche Bier, aber anders und auch nur einmalig, trinken zu wollen. Zu groß ist die Auswahl an Hopfensorten- und Produkten, als dass man diesen Forderungen nicht nachgeben könnte und zu klein ist das geforderte Time-To-Market-Fenster, um sinnvoll kreativ arbeiten zu können und gleichzeitig nicht in Vergessenheit zu geraten.
Wir sind also auf der Suche nach der nächsten Ebene, nach dem nächsten Level von IPAs, um vielleicht aus dieser Hetzjagd ausbrechen und etwas biertechnisch Nachhaltiges aufbauen zu können. Die Knowledge Is Power-Serie wird sich zwar nicht ausschließlich auf IPAs beziehen, wir haben aber vor allem bei diesem Bierstil viele Stellschrauben im Hinterkopf, bei denen wir eure Hilfe und eure Einschätzung benötigen.
Dass das Produkt als auch die Szene Bier viel vom Wein lernen kann, ist ein offenes Geheimnis. Versteht es Wein schließlich doch sowohl für das sinnliche Abendessen oder den Abend vorm Kamin als auch in lockerer Runde ganz unverkrampft glänzen zu können. Abseits des Standings des Weins als Genussmittel können wir Brauer aber vor allem auch durch die eingesetzten Rohstoffe und deren Prozesskette profitieren. Hauptakteur dieser Entwicklung sind vor allem die Thiole, die vor allem einigen Weißweinen (beispielsweise Sauvignon Blancs aus Cloudy Bay, Neuseeland) eine unglaubliche Aromenintensivität verleihen. Aromen nach Passionsfrucht, Grapefruit, Ananas und Stachelbeere springen einem förmlich entgegen.
Thiole sind Schwefelverbindungen (R‑SH), die in unserem Bereich sehr aromaintensiv aufgrund ihres geringen Wahrnehmungs-/Geruchsschwellenwertes empfunden werden. Bereits geringste Mengen (wir sprechen hier von wenigen Nanogramm pro Liter) reichen aus, dass wir die Charakteristik eines jenen Thiols wahrnehmen können. Je nachdem in welcher Menge diese Thiole enthalten sind und um welche Thiole es sich handelt variiert dann nochmal das Aroma.
Thiole kommen zum Glück für alle Brauer nicht nur in bestimmten Rebsorten vor, sondern kann eben auch im Malz und einigen Hopfensorten angetroffen werden. Die Kehrseite der Medaille jedoch ist, dass diese Thiole zu großen Teilen als Precurser in einer gebundenen Form vorliegen und die Precurser (noch) nicht die beschriebene Aromatik besitzen. Das neue große Ziel ist nun die “Befreiuung” dieser gebundenen Thiol-Precurser in ihren aromenintensiven Zustand, um noch intensivere, vielschichtigere IPAs brauen zu können. Konventionelle Brauereihefestämme besitzen allerdings nicht die nötigen Enzyme dafür, weswegen man zwei Möglichkeiten hat, um mehr Thiole im fertigen Bier vorfinden zu können:
1. Man benutzt mehr Hopfen (oder andere Rohstoffe, wie Phantasm®), der reich an freien Thiolen ist
2. Man sucht nach Möglichkeiten die notwendigen Enzyme dem Brauprozess beizufügen, um das Potenzial der gebundenen Thiole zu nutzen.
Der erste Punkt wird seit einigen Jahren, unabhängig der Jagd nach den Thiolen, exzessivst betrieben. Neben teuren Rohstoffen hat man auch mit immer mehr und mehr Produktverlusten zu kämpfen. Darüber hinaus existieren ja auch in diesen Produkten gebundene Thiol-Precurser, die einfach nicht genutzt werden.
Punkt 2 birgt eine Menge Potenzial, der von zwei verschiedenen Richtung angegangen werden kann. Die erste Möglichkeit ist, dass man bereits bestehende Bierhefestämme durch bestimmte Triggermethoden in ihrer Zellfortpflanzung mutieren lässt, bis die gewünschte Eigenschaft vorhanden ist. Die andere Möglichkeit ist, dass man in der Welt der Mikroorganismen guckt, welche Mikroorganismen diese Eigenschaften besitzen und versucht diese mit in den Brauprozess einzubinden. Diese Mikroorganismen binden sich natürlich bestenfalls lückenlos in die Abläufe ein und schaffen keine neuen Probleme*. Wir bedienen uns hier der zweiten Möglichkeit, in dem wir eine bereits existierende Weinhefe, die bekannt für diese Eigenschaften ist, einsetzen. Der Kniff in der Benutzung dieser Weinhefe besteht jetzt nun hierbei:
Diese Weinhefe besitzt (wie jeder andere Hefestamm auch) eine eigene Aromatik und stößt darüber hinaus noch ein Toxin aus, dass fremde Hefestämme abtötet.
Dementsprechend muss man den Einsatz dieser Hefe kontrolliert durchführen, um möglichst auch nur von den Vorteilen profitieren zu können.
*Als hefe-internes Beispiel sei hier angermekt, dass einige Brettanomyces-Stämme wohl in der Lage sind die Thiol-Precurser zu verstoffwechseln. Der Nachteil in der Benutzung von Brettanomyces-Hefen bei herkömmlichen Bieren überwiegt aufgrund ihrer anderen matabolischen Eigenschaften allerdings so sehr, dass man sich die Benutzung in diesem Zusammenhang gut überlegen sollte.
Die Umfrage zu unserem Knowledge Is Power hilft uns letztendlich dabei eine große Menge an Eindrücken auswerten und bewerten zu können und bildet für uns den Ringschluss zu der Namensgebung unserer Serie. Ihr findet den QR-Code zur Umfrage auf den Knowledge Is Power-Dosen. Jede Bar, die unser Bier vom Fass ausschenkt, hat darüber hinaus auch einen QR-Code zur Umfrage erhalten, in der Hoffnung, dass ihr so auch darauf zugreifen könnt.